Podiumsdiskussion "Verkehrskonzept für Limburg"

In Vorbereitung der Kommunalwahl Ende März hatte der Verein „Keine Südumgehung Limburg e.V.“ am 17.03.2011 die Vertreter der zur Wahl stehenden Parteien zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen. Mehr als 80 interessierte Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung gefolgt, um die Diskussion der Politiker zum Thema „Verkehrskonzept für eine liebens- und lebenswerte Stadt Limburg“ zu verfolgen.

 Unter der Moderation von Hans Tischer nahmen an der Diskussion teil: 

  • Herr Michael Köberle, CDU 
  • Herr Werner Laux, FWG 
  • Herr Peter Rompf, SPD 
  • Frau Marion Schardt, FPD 
  • Frau Sigrid Schmüser, BZL 
  • Frau Barbara Sylla-Belok, Bündnis 90/Die Grünen 

Historischer Überblick 

Jörg Dönges gab unter den Titel „die unendliche Geschichte“ einen Abriss der historischen Diskussionen um die Verkehrsprobleme in Limburg. Danach geht der Plan einer Umgehungsstraße zur Entlastung der Innenstadt bereits auf Initiativen des damaligen Bürgermeisters Josef Kohlmaier am Ende der sechziger Jahre zurück. Im Jahre 1973 wurde von den Städten Diez und Limburg die Linienführung der Alttrasse beschlossen. 

Im Jahr 1975 wurde die Stadt Limburg vom Land Hessen zur Realisierung einer Umgehung gedrängt, da die Stadt „vor dem Verkehrsnotstand“ stehe. Zu dieser Zeit war auch die Westumgehung noch im Gespräch.
In den Jahren zwischen 1979 und 1985 war das Thema einer Umgehung immer wieder Thema von Protesten und Bürgerversammlungen, die aber nie zu einem konkreten Ergebnis führten. 

1987 wurde die Diezer Straße zur Entlastung der Anwohner nachts für den Schwerverkehr gesperrt. Ende der 80er Jahre wurde der Westumgehung Priorität gegeben, die im Jahr 1991 sogar in den Flächennutzungsplan aufgenommen wurde. Nach der Ablösung der rot-grünen Stadtregierung durch die CDU 1993 wurden jedoch alle vorliegenden Planungen verworfen. 

 Verkehrsprobleme 

Als wichtigste Verkehrsprobleme für die Diskussion des Abends wurden die Belastung der Diezer Straße/Schiede, die Belastung der Weststadt durch die Umfahrung der Diezer Straße sowie die Belastung des Ortsteils Linter durch die B417 und die Autobahn A3 genannt. Gesucht seien in den nächsten Jahren konkret umsetzbare Lösungen. 

 Standpunkte der Parteien 

FWG

Die FWG hat sich auf eine Umgehungsstraße zur Lösung der Verkehrsprobleme festgelegt. Breits im Jahre 2001 hat die FWG sich dafür stark gemacht, dass die Planungsgrundlagen erarbeitet werden, um eine Umgehung im Süden Limburgs in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2015 aufzunehmen.

 Die FWG hat sich jedoch noch nicht auf eine konkrete Trasse festgelegt, da eine Entscheidung für eine Trassenvariante erst dann gefällt werden könne, wenn die Kostenvorschläge vorliegen. Es müsse eine deutliche Mehrheit im Stadtparlament für eine realistische Trassenempfehlung an den Bund im Jahr 2015 vorhanden sein, um überhaupt eine Chance auf Realisierung in den nächsten Jahrzehnten zu haben. Die zu empfehlende Trasse müsse in einem positiven Kosten-Nutzenverhältnis stehen, denn der Bund werde teure bauliche Lösungen nicht finanzieren. 

Wenn die Trasse vom Bund 2015 nicht in den Verkehrswegeplan aufgenommen werde, dann könne mit dem Projekt in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr gerechnet werden.
Ein genereller Verkehrsplan sei mit dem vorhandenen Straßennetz nicht umsetzbar; dieses sei in seiner Kapazität überfordert und eine Entlastung könne nur über neue Strassen erreicht werden. Die Westumgehung sei bei den derzeitigen Verhältnissen gar nicht umsetzbar, da die Trasse durch ein Hochwassergebiet führen würde. 

CDU

 Aus Sicht der CDU gibt es eine ganze Reihe von Faktoren, welche die Verkehrssituation in Limburg in den letzten 30 Jahren negativ beeinflusst haben (z.B. demographischer Wandel, Zunahme des Individualverkehrs, Zunahme des Verkehrs durch das ICE Gebiet). Die CDU strebt ein ganzes Bündel von Maßnahmen an, um die Verkehrsbelastung in der Stadt kurzfristig zu verringern. Dazu gehören eine Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, einen Ausbau der Fahrradwege, eine Veränderung der Ampelschaltungen sowie eine Umstellung vorhandener Kreuzungen auf Kreisel. Auch der Ausbau der Autobahnbrücke auf 8 Spuren wird aus Sicht der CDU zu einer Entlastung der Innenstadt beitragen. 

Die größte Entlastung insbesondere vom Schwerverkehr wird aus Sicht der CDU aber die Südumgehung in der Variante 1/1a bringen. Aus diesem Grund ist die CDU-geführte Stadt Limburg auch für die Erstellung der notwendigen Gutachten in Vorleistung gegangen. Die Variante 2 (Alttrasse) wird von der CDU abgelehnt, die Variante 3 als unrealistisch eingeschätzt. 

Eine endgültige Entscheidung über den Trassenverlauf soll aber über einen Bürgerentscheid herbeigeführt werden – eine einheitliche Meinung innerhalb des Stadtparlamentes ist aber unbedingte Voraussetzung für eine Empfehlung einer Trassenvariante an den Bund. 

FDP

Die FDP hält seit 2001 an der Variante 3 fest, denn aus Sicht der FDP kann nur ein Straßenring rund um Limburg mit einem eigenen Anschluss an die Autobahn bei Lindenholzhausen die Stadt wirksam vom Durchgangsverkehr entlasten. Die Kosten und Nutzen sowie die Auswirkungen der Variante 3 auf das Vogelschutzgebiet seien nicht detailliert analysiert worden, und die Variante 3 sei zu früh von den Planern fallengelassen worden. 

Aus Sicht der FDP sei die Beeinträchtigung des Natura 2000-Gebiets kein rechtlicher Hinderungsgrund, wenn es keine andere, in der Gesamtabwägung aller Gesichtspunkte mögliche Lösung gebe – es gebe dafür einige Präzedenzfälle aus der jüngsten Zeit. Die Variante 3 müsse daher gleichberechtigt neben den anderen bereits untersuchten Alternativen untersucht werden. Angesichts der erwarteten Ausgaben müsse unbedingt diejenige Variante an den Bund gemeldet werden, welche die Verkehrsproblematik am besten lösen kann. Kurzfristige Lösungsansätze werden von der FDP unterstützt, ein Gesamtverkehrsplan mit veränderten Ampelschaltungen, kleinen Bussen und einem durchgehenden Radwegenetz müsse dringend erstellt werden. 

SPD

Die SPD sieht nur die Varianten 1 und 2 als überhaupt realistisch an, denn die Variante 3 sei bereits bei den Planungen zur ICE Strecke untersucht und als für nicht tauglich befunden worden. Auch die Varianten 1/1a (Südumgehung) sei aus verschiedenen Gründen nicht zu befürworten. Die derzeitige Planung der Alttrasse werfe ebenfalls zu viele Probleme auf. Daher befürwortet die SPD eine modifizierte Alttrasse mit einer erweiterten Tunnellösung sowie einer Abkoppelung der innenstädischen Bundesstraßen. 

Generell müssten die Verkehrsprobleme der Stadt aber jetzt gelöst werden, denn bis zur Fertigstellung einer Südumgehung könne nicht gewartet werden. Ein Gesamtverkehrskonzept sei daher dringend notwendig, Einzellösungen wie die Einführung von Kreisverkehren beheben zwar lokale Verkehrsengpässe, schaffen aber sofort neue an anderen Stellen. Ein LKW-Fahrverbot durch die Innenstadt, die Optimierung der Ampelschaltungen sowie die Anbindung der Innenstadt an die neue Autobahnbrücke sei ein besseres Mittel zur Reduzierung des Durchfahrtsverkehrs. 

Bündnis 90/Die Grünen

 Bündnis 90/Die Grünen lehnen alle Umgehungen generell ab. Ein aus Sicht der Grünen falsches Mobilitätsverhalten dürfe nicht durch die Schaffung immer neuer Straßen gefördert werden. Straßenbau habe erhebliche negative Auswirkungen auf Menschen und Umwelt.
Zur Entlastung der Innenstadt schlagen die Grünen vielmehr vor, generell Verkehr zu verlagern und zu vermeiden, indem der öffentliche Nahverkehr durch bessere Vertaktung und Verknüpfung verbessert wird. 

Die vorhandenen Straßen sollten umgestaltet werden, um Fußgängern und Radfahrern mehr Raum zu geben und den Autoverkehr zu beschränken. LKW-Verkehr sollte durch Durchfahrtsverbote beschränkt werden, Güterverkehr sollte verstärkt auf die Schiene verlagert werden. Wie das bereits 1996 erarbeitete sozial-ökologische Verkehrskonzept belegt, könne dadurch eine Entlastung der Innenstadt um 19% erreicht werden, mehr als durch die Umgehungsstraßen. Eine Lenkungsgruppe Verkehrskonzepte sollte zusammen mit Diez Maßnahmen erarbeiten, die direkt umgesetzt werden könnten, anstatt auf eine langfristig falsche Verkehrspolitik zu setzen. 

BZL

 Die BZL ist gegen beide Trassenvarianten. Sie sieht die Südumgehung als Teil einer geplanten Ost-West-Verbindung an, eine Entlastung der Innenstadt und besonders der Diezer Straße sei nicht vordringliches Ziel. Auch die Alttrasse könne und dürfe so nicht umgesetzt werden. 

Eine Entlastung der Diezer Straße könne vielmehr durch einen Verzicht des weiteren Ausbaus der WerkStadt sowie des Werksgeländes der Firma Schuy, ein Nachtfahrverbot für schwere LKW, ein Durchfahrtsverbot für LKW von auswärts sowie eine bessere Vertaktung des öffentlichen Nahverkehrs mit Rheinland-Pfalz und dem Landkreis Limburg erreicht werden. Die Fahrpreise der derzeit in Limburg eingesetzten Busse seien viel zu teuer und müssen genauso wie das Nachttaxi subventioniert werden, anstatt neue Parkhäuser zu bauen. An den Stadträndern sowie im Tal Josaphat müssten Park-and-Ride-Flächen geschaffen werden, um den Verkehr von auswärts zu verringern. Baulücken und Grünflächen dürfen nicht bebaut werden, um die Luftverhältnisse nicht weiter zu verschlechtern. 

 Lösungsvorschläge 

Jörg Dönges stellte anschließend für den Verein eine Reihe von Lösungsvorschlägen vor, welche sofort umgesetzt werden könnten, um die Innenstadt und die Diezer Straße vom Verkehr zu entlasten. 

  • Optimierung der Ampelschaltung Diezer Straße und Schiede 
  • Sperrung der oberen Diezer Straße für Stadteinwärts fahrende Lastwagen
  • Umleitung des LKW-Verkehrs tagsüber über Rudolf-Schuy-Straße und Schaumburger Straße 
  • Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs 
  • Einbahnstraßenregelungen in der Weststadt zur Verminderung des Durchgangsverkehrs 
  • Wiederaufnahme der Untersuchungen für die Westumgehung 
  • Durchfahrtsverbot für Schwerverkehr mit dem Ziel A3, generelles Durchfahrtsverbot für LKW 
  • Nachtfahrtverbot für LKW in der Diezer Straße 

 Eine Umgehungsstraße könne erst dann gebaut werden, wenn die Trasse in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wurde und entsprechende Finanzierungsmittel zur Verfügung stehen. Daher könne eine Umgehungsstraße nur langfristig, in einem Zeitraum von 25 oder 30 Jahren zu einer Entlastung der Bürgerinnen und Bürger führen. Die Politik solle sich daher auf die konkrete Situation konzentrieren und über die Parteigrenzen hinaus nach Lösungen suchen, die kurzfristig zu einer Entlastung der Menschen führen können.

Diskussion 

Auf Anfrage erklärte der Vertreter der CDU, dass der jetzt von ihr vorgeschlagene Bürgerentscheid zur Trassenauswahl durch die jüngsten Ereignisse um Stuttgart 21 motiviert wurde – die Diskussion um dieses Bauprojekt habe gezeigt, dass die Bevölkerung bei Großprojekten stärker involviert werden müsse. Die FWG, in der Stadtverordnetenversammlung Kooperationspartner der CDU, erklärte dazu, dass ihr dieses Ansinnen der CDU so bisher nicht bekannt sei. Daraufhin wurde aus dem Publikum weiter gefragt, warum trotz der erklärten Absicht der CDU, die Bevölkerung an Großprojekten zukünftig stärker zu beteiligen, die Verkehrsgutachten zur Erweiterung der Werkstadt von der Stadt Limburg bislang nicht veröffentlicht wurden.  

 Kritik wurde an den Stadtbuslinien geübt, die bei Kosten von einer Million Euro im Jahr von den Bürgerinnen und Bürgern nicht ausreichend genutzt werden. Stattdessen wurde die Einführung einer City-Bus-Linie mit kleinen Bussen gefordert, die im Ringverkehr zeitnah und günstig die Stadtteile verbinden soll. 

CDU und SPD erklärten, dass ein Ableiten des LKW-Verkehrs über die Mensfelder Straße und weiter über die zukünftige Umgehung Lindenholzhausen zu einer Entlastung von Linter führen werde und daher positiv gesehen werden. Dies sei aber nicht mit der Trassenvariante 3 zu verwechseln. 

 Es wurde gefragt, wie das Fehlen der Grundwasserproblematik in den Gutachten übersehen werden konnte. Die anwesenden Stadtverordneten betonten, dass die Stadt Limburg die ihr vorliegenden Informationen nicht an das Stadtparlament weitergegeben habe. Es müsse sich in der Informationspolitik der Stadt gegenüber der Öffentlichkeit dringend etwas ändern. 

Das von der Stadt Limburg in Auftrag gegebene Gutachten stand im Zentrum einiger Publikumsbeträge, die nach dem Zustandekommen und den vom Verein offengelegten „handwerklichen“ Fehlern fragten. Es wurde sowohl vom Podium als auch aus dem Publikum geantwortet, dass die Gutachter sich ihren Auftraggebern verpflichtet fühlen und die von diesen gewünschten Trassenvarianten präferieren. Dies könne erklären, warum das gleiche Gutachterbüro unter verschiedenen Stadtregierungen zu verschiedenen Trassenempfehlungen gekommen sei (unter rot-grün für die Alttrasse, unter der CDU für die Südumgehung).
Auch sei bekannt, dass viele Gutachten sich nicht auf eigene Untersuchungen der Gutachter, sondern vielmehr auf von den Auftraggebern gelieferte Daten stützen.   

Es wurde im Publikum die Frage aufgeworfen, ob aufgrund des kurzen Zeitfensters zur Einreichung der Trassenvariante zum Verkehrswegeplan die notwendigen Untersuchungen möglicherweise absichtlich beschleunigt wurden, unter bewusster Inkaufnahme ungenauer und unvollständiger Prüfungen. 

Angesichts des demographischen Wandels, der einen Rückgang der Bevölkerung in den nächsten Jahren prognostiziert, müsse gefragt werden, ob die jetzt geplanten Straßenbauprojekte in 20 oder 30 Jahren überhaupt noch den dann vorhandenen Bedarf treffen. Insbesondere für den Landkreis Limburg wird ein Rückgang der Bevölkerung vorausgesagt, was sich auf die Menge des Durchgangsverkehrs auswirken wird. 

Fazit

Wie angesichts der unterschiedlichen Positionen der Parteien nicht anders zu erwarten konnten sich die Podiumsteilnehmer nicht über die beste Lösung der akuten Verkehrsprobleme einigen. Es bestand aber Konsens darüber, dass die drängenden Probleme eher durch eine ganze Reihe kleiner Maßnahmen kurzfristig gelöst werden müssen als durch ein großes Umgehungsprojekt, welches überhaupt erst in mehreren Jahrzehnten kommen werde.
Die Teilnehmer der Diskussionsveranstaltung hatten jedoch einen interessanten Abend erlebt, der ihnen ihre Entscheidung bei der anstehenden Kommunalwahl hoffentlich etwas erleichtern konnte.

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